Die neue Dauerausstellung im Landesmuseum «Einfach Zürich» ist eröffnet. Mit knapp anderthalb Jahren Verspätung, auf einer Fläche, halb so gross wie der Strafraum eines Fussballfelds, präsentieren sich Stadt und Kanton neu im Landesmuseum.
Ich mag das Landesmuseum, habe dort meine Kindheit verbracht, aber diese Ausstellung heftig bekämpft. Das ZiL (Zürich im Landesmuseum), wie es damals hiess, sei eher Tourismusförderung als Kultur, nichts als eine begehbare App oder aufgemotzte Diashow und finanzpolitisch falsch (siehe auch hier). Die Argumente überzeugten nicht und Feelgood schlug Vernunft an der Urne mit satten 63.5 Prozent. Jetzt ist die Ausstellung eröffnet und ich nahm einen Augenschein.
Auf dem Weg zur Medienorientierung über «das Zürcher Schaufenster im Landesmuseum» schlenderte ich an den Schaufenstern im Shopville vorbei – kurzes Nachdenken über die Bedeutung von Schaufenstern! – und fragte mich, ob es mir lieber wäre, wenn ich mit meinen Behauptungen Recht behalten sollte oder nicht.
Peter Haerle, städtischer Kulturdirektor, erzählte zu Beginn die Geschichte von «Einfach Zürich» und offenbarte dabei seine persönliche Beziehung zu diesem Projekt. 2008 hatte er im Auftrag der Stadt Zürich eine Museumsevaluation durchgeführt und geraten, statt einem klassischen Stadtmuseum eine Art Knotenpunkt zu schaffen, der als Wegweiser für Touristinnen und Touristen, Schulklassen und Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons zu bestehenden Kultureinrichtungen und zur Zürcher Geschichte dienen soll. 2010 wurde Peter Haerle auf seinen heutigen Posten berufen, wo er dann seine eigene Empfehlung umsetzen durfte.
Martin Heller und Tristian Kobler, die beiden Ausstellungsmacher, führten die Gäste anschliessend durch die Räume. Im ersten Raum treffen die Besucherinnen und Besucher auf eine Installation der Künstlergruppe mickry3, welche touristische Destinationen Zürichs in einer Skulptur vereint. Zeitgenössische, zürcherische Kunst als Start freut mich sehr. Im gleichen Raum befinden sich zwanzig Bildschirme, die sehr kurze Videoporträts von zwanzig Zürcher Gemeinden zeigen. Das kommt der Dia-Show schon sehr nahe (und nicht einmal aufgemotzt).
Im zweiten Raum befindet sich ein grosser Kubus mit vier Seiten. Die Seiten erinnern an grosse Setzkästen, in welchen sich verschiedene Objekte befinden. Platz hätte es für hundert Exponate, zur Zeit sind es 60. Die Objekte sind Aufhänger für Geschichten über Zürich, die mit viel (gutem) Bildmaterial und sehr kurzen Texten auf Bildschirmen vor den Setzkästen erzählt werden. Die Themenvielfalt ist gross. Da wird u.a. von Hungersnöten, Hooligans und Hexen berichtet. Ich habe Themen vermisst, aber auch neue entdeckt. Das ist inhaltlich solide gemacht, nur bilden die vier Bildschirme das Nadelöhr der Ausstellung. So gesehen am Sonntag als ich einen zweiten Augenschein nahm. Was ich dabei auch beobachtete: Die Menschen richten ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Erklärungen am Bildschirm und weniger auf die Exponate. Die Kultur- oder Geschichtsvermittlung drängt sich – wie befürchtet – in den Vordergrund, die Objekte verlieren an Bedeutung. Wenn sowieso alle auf den Bildschirm schauen, hätte dafür eine App (nicht begehbar) gereicht.
Im dritten Raum zeigt «einfach Zürich» an drei von vier Wänden Punktwolkentechnologie-Filme, beispielsweise über den HB oder den Lindenhof. Diese Technologie ermöglicht es der Betrachterin oder dem Betrachter sowohl die Oberfläche als auch das, was darunter liegt, zu sehen. Das ist eindrücklich und im wahrsten Sinn des Wortes schwindelerregend. Weshalb allerdings gerade die Videoinstallation im einzigen Raum stattfinden muss, in dem zwei Säulen die Möglichkeit eines Rundblicks nehmen, ist mir schleierhaft.
Eigentlich gibt es mit der Website noch einen vierten, virtuellen Raum; das ist mit Abstand der schwächste. Die Website will zwar Wegweiser für weitere Entdeckungen sein, ein Quartier- oder das Trammuseum findet man dort allerdings genau so wenig wie der Biberpfad am Rhein oder die Thurauen. Wie wäre es mit einer Verlinkung zum VBZ-Podcast «Geld und Geist»? Weshalb sind die Bilder und Geschichten der Gegenstände nicht online? Kurz: Das kann Kreativwirtschaftdigitalzürich besser.
Fazit: Ich hatte Recht, aber schauen Sie sich das trotzdem einmal an! Bringen Sie Ihre Touristen und Schulklassen mit! Der Eintritt ist gratis. Wenn ich sonst Berichte höre oder lesen, scheint es allen anderen zu gefallen. Offenbar bin ich ein hoffnungsloser Kultur- und Museumsnostalgiker.
(Dieser Text erschien zuerst in der p.s. Zeitung vom 8. Februar)