London calling

London calling to the faraway towns
Now that war is declared and battle come down
London calling to the underworld
Come out of the cupboard, all you boys and girls
London calling, now don’t look at us
All that phoney Beatlemania has bitten the dust
London calling, see we ain’t got no swing
‚Cept for the ring of that truncheon thing

Der Clash Song ist so prophetisch, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft und nicht wenige Randalierer haben ihn bereits zur Hymne ihres Wütens erklärt.

Es ist schrecklich.

Die Toten und Taten sind nicht zu rechtfertigen. Die Bilder und Berichte aus London und anderen englischen Städten sind erschüttern; und die Kommentare von links und rechts teilweise noch viel mehr.

Mit diesem Beitrag will ich weniger den Versuch machen, die Geschehnisse zu erklären, sondern vielmehr sie zu verarbeiten. Es ist unbestritten, dass Sozialprogramme gestrichen und Jugendzentren geschlossen wurden, wie die WOZ schreibt. Aber rechtfertigt das wirklich Plünderungen, Zerstörungen und Gewalt? Nein, tut es nicht. Und eine Frage, die mir jetzt dann wohl viele um die Ohren hauen werden, geht mir nicht aus dem Kopf: War denn vorher, als die Sozialprogramme noch nicht gestrichen und die Jugendzentren noch offen waren, alles in bester Ordnung? Wohl kaum. Der britische Journalist Brendan O’Neil, der seine Karriere bei «Living Marxism» begann, das Journal der Revolutionary Communist Party, und heute für den links-liberalen Guardian bloggt, also kaum im Verdacht eines Rechtskonservativen steht, schreibt zu den jüngsten Ereignissen u.a. das folgende:

«Die Jugendlichen, die nun aufstehen, sind Zerstörer ihrer eigenen Gemeinden, und sie vertreten eine Generation, die mehr vom Staat bekommen hat als jede der Generationen vor ihr. Sie kommen aus genau jenen städtischen Gebieten, in denen der Wohlfahrtsstaat in den letzten 30 Jahren die älteren Ideale der Selbständigkeit und des Gemeinsinns verdrängt hat. Sein Eindringen in jeden Winkel der Existenzen der weniger wohlhabender Städter – von ihrem finanziellen Wohlergehen zu ihren Erziehungsaufgaben bis in ihr emotionales Leben hinein – hat seit dem Aufkommen der therapeutischen Wohlfahrtsideologie gerade dazu beigetragen, individuellen Einfallsreichtum ebenso wie soziale Bindungen erfolgreich zu untergraben. Dies natürlich unter den wehenden Fahnen des noblen Anliegens, man wolle bloss sicherstellen, dass die Armen auch ‹geistig fit› bleiben. Die anti-sozialen jugendlichen Randalierer erscheinen in diesem Licht wie das Endprodukt eines anti-sozialen Systems – dasjenige umfassender staatlicher Intervention.» (Den vollständigen Artikel finden Sie hier)

Wenn mir nun die Rechte zustimmend auf die Schulter klopfen möchte, muss ich mich allerdings dagegen wehren. Das Übel alleine auf einen überbordenden fürsorglichen Überwachungs- und Sozialstaat schieben zu wollen, greift bei weitem zu kurz. Oder zumindest nicht in diesem Sinne, wie die Rechte das gerne sähe.

Wer sind denn die Vorbilder der Jugendlichen in London? Worin unterscheidet sich denn das Gehabe der Tea Baggers und Hauruckkapitalisten vom dem der Krawallanten? Bestenfalls in der Wahl der Waffen und der Medien, aber im Prinzip führen sie sich beide gleich auf:  Egoistisch, verantwortungslos, respektlos, ohne Werte, nehmen, was man will und kriegen kann, und dabei Grenzen und Gesetze übertreten oder über Leichen gehen. Wer hat denn in jüngster Vergangenheit vom fürsorglichen Staat profitiert? Waren es nicht die Banken und Finanzinstitute, die, nachdem sie sich jahrelang gegen staatliche Eingriffe gewehrt haben, plötzlich die hohle Hand machten und mit Milliardenbeträgen gerettet werden mussten, nur um kurz darauf wieder absurde und in dieser Höhe nie und nimmer zu rechtfertigende Boni zu zahlen.

Das Geschwafel vom Too-Big-To-Fail erinnert mich immer wieder an die Falschaussage der Weapons-of-Mass-Destruction, die irgendwo im Irak hätten gefunden werden sollen. Kann sein, dass es uns etwas schlechter ginge, wenn man die Banken hätte hopps gehen lassen, aber die heilende Wirkung hätte wohl länger angehalten als die Rettungspakete und vielleicht ginge es uns ja nur materiell ein wenig schlechter, aber ideell dafür besser, denn der Bereich der persönlichen Verantwortung, der für mich untrennbar mit der menschlichen Freiheit verbunden ist, hätte sicher wieder an Bedeutung gewonnen.

Kurz gesagt: Die Geschehnisse der jüngsten und jüngeren Vergangenheit bestärken mein liberale Haltung, wobei ich dabei dem grossen Vordenker John Stuart Mill folge, der schrieb: «Man würde diese Regel völlig falsch verstehen, wenn man annähme, dass sie selbstsüchtige Gleichgültigkeit lehre und behaupte, dass menschliche Wesen sich um die Lebensführung anderer nicht zu kümmern hätten und dass sie sich um das Wohltun und Wohlsein der andern nur, soweit ihr eigenes Interesse auf dem Spiel steht, sorgen sollten. Statt einer Verminderung brauchen wir eine grosse Vermehrung uneigennütziger Bemühungen um das Wohl der anderen.»

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