Wer sich anständig verhält, hat nichts zu befürchten

Da steht er nun, ausgerechnet in der NZZ, der vermeintlichen Gralshüterin einer freiheitlichen Gesellschaft, dieser Satz, der liberale Menschen erschauern lässt wie ein Herz-Schmerz-Reim den Lyriker. „Wer sich anständig verhält, hat nichts zu befürchten.“ Michael Baumann, der den Kommentar zum Hooligankonkordat verfasst hat, sei dringend die Lektüre des überaus intelligenten Artikels „Der Terrorist als Gesetzgeber“ von Heribert Prantl empfohlen, der übrigens wo erschienen ist? – Genau, in der NZZ, und zwar im Folio 09/07. Eigentlich sollten alle diesen Artikel (wieder) einmal lesen, nicht nur Herr Baumann. Der im Artikel beschriebene Weg vom freiheitlichen Rechtsstaat zum fürsorglichen Präventionsstaat wird mit dem Hooligankonkordat munter weiter beschritten. Es hätte nur ein paar andere Beispiele gebraucht und der erwähnte Artikel hätte auch mit „Der Hooligan als Gesetzgeber“ betitelt werden können.

Auch wenn ich ein Gegner des Hooligankonkordats bin, kann ich den Wunsch nach Verbesserungen der Situation in und um Stadien nachvollziehen. Und eigentlich wäre ich ja durchaus interessiert, den ernsthaften Versuch einer liberalen Pro-Argumentation zu lesen. Zugegebenermassen ist das angesichts der eklatanten Mängel dieses Konkordats nicht einfach, aber wer dann die Wer-sich-anständig-verhält-Plattitüde bringt, wird mich nicht überzeugen.

Aber halt! Vielleicht schätze ich die Situation falsch ein und tue Herr Baumann unrecht. Wenn ich es mir recht überlege, war es vielleicht so, dass er nur den Auftrag gefasst hat, einen Pro-Kommentar zu verfassen, obwohl er eigentlich dagegen ist. Und um seinen Auftrag zu erfüllen und trotzdem seinen Unmut kund zu tun, hat er sich dann dieser Phrase bedient und gehofft, dass die Leser die Ironie verstehen. So muss es gewesen sein.

Und falls nicht, hier noch der WOZ-Artikel von Pascale Claude, den ich so oder ähnlich eigentlich von der alten Tante erwartet hätte.

PS: Die Links funktionieren teilweise nur mit einem NZZ-Login.

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